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Petra Buchegger
„Mondas“
„Mondas“, 2014, Großdruck nach einer Kohlezeichnung auf Papier
Die Kunst von Petra Buchegger behandelt keine christlichen Inhalte, keine Heiligen, keine Szenen der Bibel oder frommer Legenden. Aber sie kann uns lehren, die Welt mit den Augen Jesu zu betrachten. Der Blick Jesu gab dem Unscheinbaren Bedeutung, dem Verworfenen Kostbarkeit, dem Verachteten Würde. „Das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten.“ (1 Kor 1,28) Nicht das Mächtige, das Überwältigende siegt, sondern das Zarte, das Schwache und Verachtete.
Mondas sind Schalen. Im Bild sind solche Schalen zu sehen, Gemüseschalen, eine Eischale, aber auch ein Apfelputzen. Es sind Abfälle, Dinge, die normalerweise weggeworfen werden und keine besondere Beachtung bekommen. Gerade solchen Dingen wandte sich Petra Buchegger in ihrer Kunst zu. Ihre Kunst wurzelt in den Randzonen des Alltäglichen, in Bereichen des Unansehnlichen, des leicht Übersehenen, des Kunstlosen. Das können Objekte aus Salzteig sein, Reste von Schürzenstoffen, das einfache Tun einer Frau in einem Gewächshaus oder die „Mondas“, denen sie eine Serie von Kohlearbeiten gewidmet hat. Petra Buchegger entdeckte das Erstaunliche dort, wo andere keinen Grund zum Staunen finden. Durch ihre Kunst suchte Petra Buchegger auch andere für dieses Staunen zu gewinnen. Sie verlockte zu höherer Aufmerksamkeit, indem sie die kleinen Dinge vergrößert, in ein anderes Material umsetzt, zu Bildern und Filmen verarbeitet. Die Haltung der Subsistenzwirtschaft, das Gewinnen des Lebensunterhalts durch sorgfältigen Umgang mit dem Bestehenden, war für Petra Buchegger wegweisend und prägt auch ihre Kunst. Vielfach sind die Träger dieser Haltung Frauen in einfachen Verhältnissen. Ihnen schenkte daher Petra Buchegger besondere Aufmerksamkeit.
Schönheit kommt in der Kunst von Petra Buchegger nicht aus dem Leuchten des Außerordentlichen, sondern aus dem Staub des Unscheinbaren. Ihre Kunst lehrt, Schönheit dort zu entdecken, wo sie gar nicht vermutet worden ist. Gemüseschalen und Apfelputzen werden ins Bildhafte verwandelt zu schwebenden Gestalten, Gebilde wie aus einer anderen Welt, wunderbar und zauberhaft. Das geschieht durch die Kunst. Im Bild sind die Dinge nicht nur Repräsentanten ihrer selbst, als Bild sind sie Repräsentanten von Schönheit, Zauber, Poesie und einer Haltung, die im Kleinen das Große zu sehen vermag, im Geringen das Auserwählte. Mit ihrer Kunst hat uns Petra Buchegger diesen Blick auf die Welt gelehrt. Ein Anfang wird so gemacht. Aus ihm kann eine neue Sicht der Welt erwachsen.
Petra Buchegger ist 2017 im Alter von 47 Jahren verstorben. „Mondas“ wurde zum ersten Mal 2015 im Bahnhof von Baden gezeigt, im Rahmen der Ausstellung Dis/Order des Kunstvereins Baden. Nun hängt die Arbeit zur Erinnerung an diese wunderbare Künstlerin und ihr Werk während der Fasten- und Osterzeit 2025 in der Jesuitenkirche.
Gustav Schörghofer SJ
gisela stiegler
die 41. säule
Gisela Stiegler
die 41. Säule, 2024, Kunststoff- und Aluminiumkonstruktion, Höhe: 11 m
Die Skulptur wächst hinein in den Raum. Sie kommt aus einer inneren Vorstellung, die den Weg findet ins Material und in den Raum hinein. Eine Säule hat im Werk von Gisela Stiegler vor Jahren den Anfang gemacht. Andere Säulen sind ihr gefolgt, kleinere und größere. Eine ziemlich große steht vor der Galerie am Stein von Monika Perzl in Reichersberg in Oberösterreich. Die 41. Säule der Jesuitenkirche ist besonders groß.
Die Säule kann an vieles erinnern. Zum Beispiel an andere Säulen der modernen Kunst, an Säulen von Constantin Brancusi, von Joannis Avramidis, von Roland Goeschl, von Gerhardt Moswitzer. Oder an jene Säulen, die als Ehrenmale errichtet wurden, an Dreifaltigkeitssäulen und Mariensäulen. Pestsäulen wurden errichtet, um für die Rettung von der Krankheit zu danken und weitere Hilfe zu erbitten. Und vielen sind sicherlich die beiden Säulen auf der Piazzetta San Marco in Venedig in Erinnerung, die eine mit dem Markuslöwen, die andere mit dem hl. Theodor. Wenn die Erinnerung weit in die Vergangenheit zurückreicht, dann weiß sie auch um jene zwei Säulen, die den Eingang zum Salomonischen Tempel in Jerusalem flankiert haben. Ihre Namen, Jachin und Boas, wiesen hin auf eine Bedeutung, die Säulen seitdem immer wieder zugeschrieben worden ist. Jachin bedeutet „Er (Jahwe) lässt feststehen“, Boas „In ihm ist Kraft“. Festigkeit und Stärke sind also die beiden Haltungen, die von Säulen verkörpert werden. Tatsächlich verkörpert: Denn immer wieder wurden Säulen auch in Beziehung zum menschlichen Körper gesehen. Die Karyatiden der antiken Architektur begleiten die Baukunst ja noch bis in das 19. Jahrhundert. Säulen wurden als Siegesmale, als Triumphsäulen errichtet: die Trajans-Säule und die Marc Aurel-Säule in Rom. Auf sie nehmen spätere Säulen Bezug: die Bernward-Säule in Hildesheim vom Anfang des 11. Jahrhunderts oder die beiden Säulen vor der Karlskirche in Wien. Gewundene Säulen können auf jene des Tempels in Jerusalem Bezug nehmen. Die Kirche wird als „Säule und Fundament der Wahrheit“ bezeichnet (1 Tim 3,15), und die Apostel Jakobus, Kephas und Johannes als „Säulen“ (Gal 2,9). In Emblemen des 16. und 17. Jahrhunderts begegnet die Säule als Sinnbild für Christus und Standhaftigkeit im Glauben (Schöne, Emblemata, 1226 und 1227). Säulen eröffnen weite Bezüge. Sie verkörpern Festigkeit und Stärke, Haltungen, die für das Leben einer menschlichen Gemeinschaft wesentlich sind.
„Die 41. Säule“ von Gisela Stiegler befindet sich in der Jesuitenkirche in guter Gesellschaft. Sie hat keine Last zu tragen. Keine der zahlreichen Säulen der Jesuitenkirche hat tragende Aufgaben. Sie alle verkörpern Stärke im großen Zusammenhang der Architektur. Sie sind vielfarbig, manche gedreht, die meisten gerade. In der Komposition des Gebauten bilden sie eine Art cantus firmus, ein durchgehendes Thema, gleichbleibend und vielfach variiert. Als Säulen sind sie vollständig ausgebildet, mit Plinthe, Schaft, Kompositkapitell und Abakus. Inmitten dieser Gemeinschaft wirkt aber die neue Säule doch etwas fremdartig. Zwischen die übereinandergestellten Trommeln sind ringförmige Wülste eingeschoben. Wie ein Schlot ragt das Gebilde in die Höhe. Mit elf Meter Höhe setzt es in dem mächtigen Raum einen starken Akzent. Die Säule steht an jenem Punkt, von dem aus die Perspektivmalerei der Kuppel täuschend echt erscheint. Sie ragt in diesen virtuellen Raum hinein und zerstört die Täuschung. Ihre Farbe, Violett, kommt in dem sorgfältig komponierten Farbraum der Kirche nicht vor. Ihre strenge Geometrie widersetzt sich dem Schwingen der barocken Formen. Und zugleich wird die neue Säule gerade durch die Strenge ihrer Erscheinung in Beziehung zur strengen Gestaltung der Architektur gesetzt. Denn in diesem Raum, der von fast abenteuerlich ans Kitschige heranreichender Farbgebung beherrscht wird, gibt die strenge Ordnung von kannelierten Pilastern und Gebälk und die Strenge des Farbkonzepts Halt und Festigkeit. Hier entgleitet nichts ins unbestimmt Gemütvolle. Alles ist getragen von dem hohen Ton eines zur Freude erlösten Lebens. Die Säule von Gisela Stiegler stimmt mit ein. Doch hat der Klang ihrer Stimme auch etwas Komisches. Das Schwimmreifenmotiv lässt kein heroisches Gehabe aufkommen. Die mächtige Erscheinung dieser Skulptur lässt sich nicht missbrauchen als Botschafter totalitären Denkens. Eine Komik bricht sämtliche heroischen Auswüchse. Das unterscheidet die 41. Säule von all den anderen. Diese Eigenschaft trägt Erfahrungen Rechnung, die im 20. Jahrhundert und auch in der Gegenwart mit dem Formenvokabular totalitärer Staaten gemacht werden können. Doch gerade so hat die 41. Säule festen Eigenstand. Sie verkörpert für die Gegenwart die alte Botschaft der Säulen.
Gustav Schörghofer SJ
Die Arbeit ist bis 9. Juni 2025 täglich von 8:00 bis 21:00 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Foto: Bernhard Kenner