Aufrecht und gerichtet

Bei dem beschämenden Schauspiel, das die Politik bietet, bei dem beschämenden Schauspiel, das unsere Gesellschaft bietet, mit ihrer Ichbezogenheit, Machtgier, Weltvergessenheit, scheint es mir wichtig, eine Alternative zu setzen. Protest genügt nicht – wir brauchen einen neuen Anfang. Das Gestalten eines neuen Anfangs gehört zum Wesen des Christentums, es ist aber auch der Kunst wesentlich zu eigen. Darum geht es in der Jesuitenkirche und im JesuitenFoyer. Nicht jene erfolgreichen Künstler, die längst schon Teil des sich selbst verzehrenden Systems sind, sondern die oft kaum oder zu wenig beachteten Künstlerinnen und Künstler, deren Werk eine Haltung verkörpert, die Bestand hat, sie sollen hier Raum und Aufmerksamkeit erhalten.

Florian Schaumberger habe ich vor gut drei Jahrzehnten kennengelernt, gemeinsam mit den Bildhauern Lois Anvidalfarei, Magnus Pöhacker, Giovanni Rindler und Albrecht Zauner. Sie alle hatten in Wien bei Joannis Avramidis studiert. In seinem Atelier am Einsiedlerplatz und dann später im Waldviertel habe ich Florian immer wieder besucht. 2001 stand die Skulptur Fratres einige Monate in der Jesuitenkirche, Veronika Zacherl organisierte 2002 eine Ausstellung kleiner Skulpturen im Rudolfinderhaus, 2012 haben wir wild bewegte Eisenskulpturen im JesuitenFoyer gezeigt und 2021 waren Arbeiten von Florian in der Konzilsgedächtniskirche in Lainz aufgestellt. So habe ich die Entfaltung der Kunst von Florian Schaumberger erlebt und vieles in Gesprächen mit ihm kennengelernt.

Florian Schaumberger hat eine ursprüngliche Beziehung zu Stahl und Eisen. Er arbeitete mit Formrohren und Vierkantstäben, einem industriell vorgefertigten Material. Es entstanden dynamische Gebilde. Sie wurden im kleinen Format geformt, konnten aber zu erstaunlicher Größe heranwachsen, wie die 1997 entstandene Stahlskulptur vor dem von Wilhelm Holzbauer entworfenen neuen Gebäude der Nationalbank. Das 2002 fertiggestellte Denkmal der Exekutive am Heldenplatz zeigt eine radikale Reduktion, eine Rückführung des früheren vielteiligen Aufbaus auf elementare Formen. Etwas völlig anderes entstand wenige Jahre später: aus Stahlplatten geschnittene und geschmiedete Skulpturen, wild bewegt, die Formen zum Teil wie zerfetzt, von ungeheuren Mächten verformt. Sie waren vor zwölf Jahren im JesuitenFoyer zu sehen.

Im Lauf der letzten Jahre hat Florian Schaumberger eine Serie von Figuren und Köpfen geschaffen, die ein Thema der früheren Jahre wieder aufnehmen. Die planen Flächen und abgerundeten Kanten rufen das Rohmaterial alter Arbeiten, das Formrohr, in Erinnerung. Doch diesmal sind die Skulpturen aus Holz gebaut. Diese Originale sind können auf Wunsch in Bronze oder Aluminium gegossen werden.

Alle diese neueren Skulpturen können als Variationen eines Themas betrachtet werden. Sie sind unterschiedlich groß, ähneln einander und sind doch jeweils etwas Einzigartiges. Es ist, als würde in immer neuen Anläufen und immer neuen Anfängen die Annäherung an eine elementare Grundordnung menschlicher Gestalt gesucht. Die Ausrichtung in Horizontale und Vertikale zeigt alle diese Gebilde einer europäischen Tradition verpflichtet, die bis an den Beginn des ersten Jahrtausends vor Christus zurückreicht. Dargestellt wird eine Haltung, das Aufrechte und Gerichtete. Aufrecht und gerichtet waren die in Griechenland seit dem 10. Jahrhundert vor Christus entstandenen Vasen und kleinen Skulpturen. Am Beginn europäisch-abendländischer Gestaltungen stehen abstrakte Gebilde, geometrische Ordnungen.

Die Skulpturen von Florian Schaumberger sind auch im kleinen Format monumental gedacht. Sie können daher auch im großen Format bestehen. Ja, sie wirken wie die Entwürfe für Gebäude von gewaltiger Größe, wie Modelle von Hochhäusern. Doch wenn früher manche der Skulpturen etwas Heroisches an sich hatten, fehlt dieser Zug bei den neuen Arbeiten. Sie wirken vielmehr still und in sich gesammelt, viel eher Vertreter eines fest eingenommenen Standpunktes, denn wild entschlossene Eroberer neuer Räume. Vielleicht haben sie gerade deswegen ihren Ort in unserer Gegenwart, die Menschen braucht, welche gesammelt in sich eine Ordnung verkörpern, die allen Menschen ebenso wie der Natur Raum zur Entfaltung bietet.

Gustav Schörghofer SJ

Öffnungszeiten: Do und Fr 16–18 Uhr, Sa 11–13 Uhr
und nach telefonischer Vereinbarung unter +43 699 1144 1567
Der Eintritt ist frei.