GABRIELE ROTHEMANN

15. Februar – 23. März 2024

Zur Kunst von Gabriele Rothemann

Die Arbeiten von Gabriele Rothemann, Fotografien, Skulpturen und Zeichnungen, zeichnen sich durch eine ihnen eigenartige Stille aus. Die Motive sind einfach, ihr Umfeld oft weiß oder schwarz, jede Bewegung scheint angehalten. Ein weiteres Charakteristikum dieser Kunstwerke ist ihre Bildhaftigkeit. Damit meine ich, dass nicht einfach Abbilder, leicht erkennbare Gegenstände zu sehen sind, sondern das Sichtbare in ein Bild verwandelt wird. Es wird aus der Eindeutigkeit befreit und ins Mehrdeutige entlassen.  Was zu sehen ist, kann auf verschiedene Weise gedeutet werden. Als Bild für etwas vermag es weit mehr zu zeigen als bloß ohnedies Vorhandenes. Dieses Erschaffen von Bildern zeichnet die Kunst von Gabriele Rothemann in besonderer Weise aus. Das Gegebene und einfach Wiedererkennbare wird zur Offenbarung neuer Möglichkeiten der Wirklichkeit.

Eine großformatige Fotografie von Gabriele Rothemann zeigt einen Wasserfall. Das natürliche Umfeld ist fast ganz in Schwarz versunken. Nur zu ahnen ist im Dunkel die hohe Felswand, über die das Wasser stürzt. Doch im Foto stürzt es nicht abwärts, sondern hebt sich empor, einer Fontäne gleich oder einer Wolkensäule, einem Explosionspilz ähnlich oder einer im Meer schwebenden Qualle. Aus einem dichten Strang entfaltet sich schwerelos eine lichte Gestalt ins luftig Leichte, Faserige, Nebelartige. Die obere Partie ist fast schon losgelöst und bleibt doch eins mit dem Unteren. Im Schwarz wächst hier etwas vor den Augen der Betrachter empor, das sie noch nie gesehen haben. Oder ist es ihnen doch bekannt?

Die Fotografie eines Bügelbretts wird zur Vergegenwärtigung eines Gebildes, das Fetisch, Figur, Monument sein könnte. Das Glas vor der Fläche des Brettes ist verspiegelt, das in Leinen gehüllte Brett verborgen. Die Betrachtenden finden sich im Bild wieder, nun selber Teil dieses merkwürdigen Gebildes, das vor ihnen aufgerichtet steht. Wichtig ist der Bezug zum Boden, zu dem im Bild, auf dem das Objekt steht, und zu dem vor dem Bild, auf dem die Betrachtenden stehen. Das Instrument ist aller Verwendbarkeit entzogen, die Tätigkeit angehalten, ein Standbild wird errichtet und feierlich präsentiert. Und doch ist alles ganz einfach, keine großen Töne, kein Fanfarenklang, nur ein Bügelbrett auf altem Boden vor weißer Fläche. Ein Spiegel, der zeigt und verschweigt zugleich.

Die Zeichnungen sind die Anfänge des bildnerischen Denkens von Gabriele Rothemann. Sie sind Traumeinfällen gleich, schwerelose Gebilde geben sich zu erkennen, die eine den Betrachtenden weitgehend verborgene Bedeutung besitzen. Daneben eine Knochenkrücke, ein Gebilde, das Halt geben kann und zugleich sehr zerbrechlich ist. Darüber an der Wand hängt eine der Beinschienen, die von Ray und Charles Eames im Zweiten Weltkrieg für den Transport verwundeter Soldaten entworfen wurden.

Die „weeping wall“ gegenüber könnte leicht übersehen werden, so still und unscheinbar ist das hier gezeigte Geschehen. Wassertropfen treten aus kleinen Löchern, rinnen nach unten und verdunsten. Die Wand könnte als eine Klagemauer gedeutet werden. Diese Wand, die nicht als Absperrung errichtet wurde, sondern gewissermaßen als ein lebendiges Wesen vor uns steht, erscheint als Bild stiller Nähe, wortlosen Mitempfindens.  Das geschieht so still, dass es kaum zu bemerken ist und besondere Aufmerksamkeit erfordert. In dieser Wand ist Wesentliches der Kunst von Gabriele Rothemann Gestalt geworden.

Gustav Schörghofer SJ

Zu Gabriele Rothemanns Bügelbrett

Das Amstettner Bügelbrett, an einem Ende mir gerundet in Erinnerung (Wozu, zu welchem Zweck? würde ich heutzutage fragen). und das ihm straff übergezogene weiße Tuch dürfte gelbliche Stellen aufgewiesen haben, Vorformen von Brandflecken. ist in seiner Freizeit zwischen Vorzimmerkasten und Wand gelehnt, in Verwendung zwei Sessellehnen aufgelegt, vom Aussehen einer provisorischen Brücke. also ein Stegbrett geworden. Gabriele Rothemanns Ausstellung im JesuitenFoyer wird auf der Einladung illustriert von einem der Geräte, welche Bügelbretter abgelöst haben. vor einer Wand der Länge nach aufgerichtet und keiner Stützung bedürftig, steht es da und gemahnt in seiner scheinbaren Zweckfreiheit an schlichte, ganz schmale Altäre, und hätte es uns die Schönheit oder Eleganz puristischer Funktionalität vor Augen zu führen – und lehnt nicht wie abgeschnallte Schier an einer Mauer. angelegt wie Flügel hat es die klappbaren Stützen, ist schließlich ein dreidimensional konzipiertes Gebilde, ein Gerät.

sollte in Urwaldrelikten Urwaldwäsche gebügelt werden, so doch, auch wegen fehlender Anschlüsse an elektrischen Strom, auf ausrangierten Bootsbrettern – und diese Urwaldbewohner sähen Gabriele Rothemanns Objekt vermutlich als Kultgegenstand an. und deren Botschaft an uns Ausstellungsbesucher? mehr noch als die Installations- und Steckdosenkunst sei die Welt der jeden Firlefanz entbehrenden Alltagsgegenstände und -geräte im Begriff, uns die altvaterisch subjektive Kunst vergessen zu lassen, und die Pflege sozialer Kontakte, der alten Kunst ferngelegen gewesen, erfordere keineswegs, dass in großen Gruppen gebügelt werde.

wie Gebrauchsgraphik werden wir die nunmehrigen Gebrauchskunstgegenstände betrachten, sie also nicht der bald hingestorbenen Egomanie zu praktischer Nutzung preisgeben: Alleen von bald verwurzelten Automobilen werden wir durchschreiten, inmitten deren Vielfalt so glücklich wie unter endlich wieder blühenden Kastanienbäumen!

Julian Schutting (1. Februar 2024)

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