ILDIKÓ KOLLER
EINGEBRANNT

5. Oktober – 25. November 2023

Enkaustikarbeiten aus Wachs, Sand, Asche, Hanf, Silber und Gold 

 

Ildikó Koller arbeitet im Verborgenen. Lange schon hat sie keine ihrer Arbeiten in einer Ausstellung gezeigt. Ich habe sie vor eineinhalb Jahren durch Vermittlung ihres Sohnes Alexander kennengelernt und in ihrem Haus in Schwechat besucht. Dort entstehen in einem kleinen Raum wunderbare Bilder. Ildikó Koller hat sich durch Jahrzehnte der Übung mit einer heute kaum bekannten Technik vertraut gemacht, der Enkaustik. Bienenwachs wird durch Erhitzung verflüssigt und mit Farbpigmenten vermengt. Ildikó Koller mischt noch Harze in die heiße Masse, um sie nach dem Erkalten fester werden zu lassen. Heiß wird die Farbmasse auf Holzplatten aufgetragen. Sand, Asche, Hanf, Silber und Gold sind weitere Materialien, aus denen Bilder entstehen, die allein schon durch das verwendete Material Mächtigkeit und Unmittelbarkeit besitzen.

Die Enkaustik ist eine bereits in der Antike bekannte Technik. Der Name kommt vom griechischen enkaiein, anzünden, einbrennen. Plinius der Ältere beschreibt die Technik in seiner Naturalis Historia. Er berichtet von der Verwendung für die Bemalung von Kriegsschiffen. Mitunter wurde den Schiffen ein Unheil abwehrendes Auge an den Bug gemalt. Enkaustik zeichnet sich durch große Leuchtkraft und Haltbarkeit der Farben aus. Berühmt sind die Mumienporträts aus den ersten Jahrhunderten nach Christus, die in Ägypten gefunden wurden. Später geriet die Technik in Vergessenheit. Im 20. Jahrhundert haben sich Künstler wie Jasper Jones wieder ihrer bedient.

Was macht die Qualität der Arbeiten von Ildikó Koller aus?

Zum einen ist es die Verwurzelung in einem tiefen persönlichen Erleben. Die Titel weisen mitunter darauf hin: Lass uns fliegen, Aus der Asche, Kreuz. Ein Bild mit dem Titel „Elefant“ zeigt ein großes Auge, etwas, das uns anschaut. Die jüngste Arbeit „Aus der Asche“ weist darauf hin, wie sehr Ildikó Koller ihre Kunst als einen Aufschwung aus den körperlichen Mühen des Alltags versteht. Auch die beiden Bilder „Lass uns fliegen I und II“ weisen darauf hin.

Die Arbeiten von Ildikó Koller zeichnen sich durch eine hohe Dichte aus. Selbst wenn sie sehr komplex sind, wie die beiden Bilder „Lass uns fliegen“, bilden sie in all ihren Details ein festes Gewebe von Formen, einen Bildkörper. Es gibt Bereiche unterschiedlicher Intensität, doch nirgends reißt der innere Zusammenhalt. Zu dieser Dichte trägt sicher auch die Technik bei, die heiß aufgetragene und verarbeitete Wachsmasse, doch gerade sie ist schwer zu gestalten.

Ein drittes Element ist die Bildhaftigkeit dieser Werke. Mit Bildhaftigkeit meine ich, dass der jeweilige Inhalt sich in einer sinnlich wahrnehmbaren Form zeigt, in einer Gestalt. Ein Bild ist etwas anderes als eine Abbildung, deren Sichtbares eindeutig auf Gegenstände und Inhalte außerhalb des Abbildes verweist. Ein Bild umfasst Gegenständliches und Nicht-Gegenständliches, es bildet in sich ein Ganzes, das als Einheit wahrgenommen werden kann und im Gedächtnis bleibt. Bilder sind ins Visuelle verwandelte Worte. Sie erschließen Sinn. Bildhaftigkeit ist eine Qualität, die nicht oft erreicht wird. In den Arbeiten von Ildikó Koller ist sie zu finden.

Gustav Schörghofer SJ

Fotocredit: Alexander Koller (1), JESUITEN:KUNST (2, 3, 4)

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