MARUŠA SAGADIN
MSGR. OTTO MAUER-PREISTRÄGERIN 2022

9. Dezember 2022 – 4. Februar 2023

Beginnen wir mit einigen Fragen. Angesichts zunehmender Individualisierung: Wie kann Gemeinschaft geschaffen und gepflegt werden? Angesichts der zunehmenden Ausbeutung natürlicher Ressourcen: Wie kann aus dem Abfall Neues entstehen? Wie wird die Verwendung von Rohstoffen gestaltet, dass sie nicht einfach nur zum Verbrauch wird? Angesichts eines umfassenden Zwangs zu funktionieren: Wie kann die Welt neu entdeckt werden? Welchen Wert hat das, was keine Funktion erfüllt? Welchen Wert hat das, was nicht als Mittel dient, sondern Zweck in sich ist?

Die Kunst von Maruša Sagadin hat mit all diesen Fragen zu tun. Sie kann als eine mögliche Antwort auf diese Fragen erfahren werden. Sie ist nicht nur im Kontext mit anderer Kunst oder mit Architektur zu deuten. Das wäre zu wenig, denn es würde dieser Kunst einen für ihr Bestehen notwendigen Freiraum nehmen. Denn die Kunst von Maruša Sagadin ist ein Ausbruch aus dem Bereich der Erzeugung kommerziell verwertbarer Objekte, die als Kunstwerke bezeichnet werden. Sie ist auch ein Ausbruch aus dem sterilen Raum einer Kunstwelt.

Die von Maruša Sagadin geschaffenen Kunstwerke sind zum einen Skulpturen aus Holz, Beton und Metall, die sich durch eine sorgfältige Verarbeitung auszeichnen. Holz wird sauber lackiert, Beton behutsam gefärbt, Holzverbindungen werden präzise gearbeitet und Betonformen aufmerksam gegossen. Die Formen erinnern immer wieder an Laubsägearbeiten, aber ohne deren Fragilität zu besitzen. Es gibt in diesen Skulpturen vielfältige Anlehnungen an Formen des Körpers und der Architektur. Sie sind eingebettet in eine Geschichte der Kunst und Architektur, erschöpfen sich aber nicht in einer Variation des bereits Vorhandenen. Sie haben etwas Frisches und Neues und Spielerisches.

Und dann gibt es in letzter Zeit vermehrt Arbeiten, die den spielerischen Umgang mit einfachen Materialien auch auf andere Weise vorführen. Hier wird vor allem Altpapier verwendet, alte Werbeplakate, die mit Alufolie beklebt und bemalt werden. Die durch das Metall verstärkten Papiere können zu Objekten geformt werden, die an verschiedenE Gebrauchsgegenstände erinnern, also an Dinge, die eine Funktion erfüllen. Aber nun sind sie frei vom Zwang, nützlich sein zu müssen. Was wie ein an Fenstern herabziehbarer Sonnenschutz aussieht, wird zu einem zauberhaft bunten Wandbehang. Was an ein Pissoir erinnern kann, wird zur subtilen Markierung eines Ortes, der separierte Räume schafft und zugleich eine Gemeinschaft ermöglicht. Ein Plateau, mit buntem Papier beklebt, auf dem Arbeiten von Maruša Sagadin zu sehen sind, soll nicht einen unbetretbaren Bereich aussondern, sondern begangen werden. Auch eine große Trommel, wohl früher der Kerne einer Papierrolle, kann im wahrsten Sinn des Wortes „besessen“ werden, also als Sitzplatz dienen. Genauso übrigens wie die in die Jesuitenkirche gestellte Bank, die kein unberührbares Kunstobjekt ist, sondern als Bank verwendet werden kann. In ihrer Ungemütlichkeit erweist sie sich den barocken Bänken der Kirche als ebenbürtig.

Die Kunst von Maruša Sagadin besitzt Charme und erweist sich als rechter Mutmacher. Sie ist in all ihrer Ernsthaftigkeit sehr humorvoll. Wie wunderbar ist das in einer Welt, die geprägt ist von einem bis zur Verbitterung gesteigerten Problembewusstsein in allen Bereichen des Lebens. Humor, Charme und Witz eröffnen neue Räume des Zusammenlebens. Und gerade das vermag auch die Kunst von Maruša Sagadin. Sie gehört daher stets in den Zusammenhang menschlicher Begegnung. Sie kann in Gebrauch genommen werden. So ganz funktioniert sie ja doch nicht, immer wieder ist da etwas Widerständiges, der Hauch eines leichten Einwands, der heute so notwendig ist. Was diese Kunst aus dem zu machen weiß, was anderswo weggeworfen wird, ist beachtenswert. Sicherlich werden sich nicht wenige Betrachterinnen und Betrachter fragen, ob das alles Kunst ist. Ist es Kunst? Ich denke schon. Denn hier wird schöpferisch ein Freiraum eröffnet. Hier wird auf Fragen geantwortet, die für das Zusammenleben und das Leben in dieser Welt von entscheidender Bedeutung sind. Die Antworten von Maruša Sagadin sind sehr einfach, ohne den großen Gestus der Besserwisserei. Sie sind charmant, mit leichtem Augenzwinkern und entgegenkommend. Mit einladender Geste geben sie den Raum frei für Neues.

Gustav Schörghofer SJ

Fotocredit: Simon Veres, Erna Nußbaumer (ganz unten)

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