KATRIN HORNEK
METABOLIC TRIPS

11. Mai – 2. Juli 2022

Katrin Hornek ist Otto Mauer-Preisträgerin 2021.


Reise ins Blaue

Auf den ersten Blick erinnert der Raum an die Musterschau eines Installationsbetriebs. Rohre aus dem Boden und den Wänden. Es könnte auch der Versuch sein, die Atmosphäre einer Fabrik anzudeuten. Die Rohre sind gelb, mit kleinen Sockeln auf dem Boden, Kupferrohre ragen hoch. Irritierend ist aber bei genauem Hinsehen, dass es da auch Maiskolben gibt, und Sand in Gläsern, eine Bohrprobe. Ganz klug ist aus all dem nicht zu werden. Der Film lässt erkennen, dass tatsächlich Bezug auf eine Fabrik genommen wird, auf eine riesige Produktionsstätte für Ammoniak, 1924 in Südtirol errichtet und nur noch als Ruine erhalten. Hier wird ein Stück Industriegeschichte erzählt und zugleich ein Bezug zu unserer Gegenwart hergestellt. Denn das in dieser Fabrik aus dem Luftstickstoff erzeugte Ammoniak wurde weiter zu Düngemittel verarbeitet. Der Kunstdünger wiederum ermöglichte eine enorme Steigerung der Lebensmittelproduktion und ist für die Ernährung der ständig wachsenden Erdbevölkerung unerlässlich.

Die Kunst von Katrin Hornek basiert auf eingehenden Untersuchungen der Beziehung der Menschen zu ihrem Umfeld, des Einflusses menschlichen Tuns auf die Entwicklung von Klima, Atmosphäre und Erdoberfläche. Durch die rasante Entwicklung der Technik und Industrie ist der Mensch ja im vergangenen Jahrhundert zum maßgebenden Gestalter der Welt geworden, wissend oder unwissend wurden Prozesse in Gang gesetzt, deren Konsequenzen für uns und die folgenden Generationen katastrophal sein können, die aber in sich auch die Möglichkeit zum Besseren bergen.

Im gezeigten Film wird eine Fahrt durch verwirrende Welten gezeigt. Es ist eine Art Landschaft zu sehen, ein Grottensystem, doch jede feste Form ist aufgelöst, die Welt scheint sich in Fetzen zerlegt zu haben. Dann tauchen Bilder der Fabrik auf, Arbeiter, Pflanzen, Fleisch, alles in ständiger Bewegung betrachtet, kein Stillstand, ein immer weiter Eintauchen in fremde Welten, als würde man sich in das Innere des Körpers hineinbegeben, unter die Haut dringen, Arterien durchfahren, Körperhöhlungen queren. Ohne Stickstoff ist tierisches und pflanzliches Leben nicht möglich und ein Gutteil davon stammt aus künstlicher Erzeugung. Auch der Stickstoff des menschlichen Körpers verbindet uns mit Fabriken irgendwo in der Welt.

Immer wieder tauchen in der Kunst von Katrin Hornek Höhlungen auf. In Höhlungen des Körpers werden Steine gebildet, in der Höhlung einer Gipshand sind einige von ihnen geborgen. Diese Hand ist an den Beginn der Ausstellung gesetzt. Den Steinen im Körper entsprechen Steine außerhalb des Körpers, seien sie von Menschen gemacht wie der als Sockel dienende Betonbrocken, seien sie das durch Jahrmillionen gewachsene Gestein der Erde. Der Ausstellungsraum selbst wird zur Höhle, aus der Rohre hinausführen und uns Bilder zu einer Reise in weitreichende Welten einladen, zu einer Fahrt in all das hinein und durch all das, was im Stoffwechselprozess entstanden ist – „metabolic trips“. Das ist nicht nur bedrohlich. Es gibt Mais und die Betrachterin sitzt auf Siloballen voller Stroh.

Die Kunst von Katrin Hornek zeigt, wie eng unser Körper mit seiner Umwelt verwoben ist, ja, dass es diese Trennung von Körper und Umwelt gar nicht gibt. Es ist eine wechselseitige Durchdringung, die hier stattfindet, ein dynamischer Prozess der Umformung von Welt. Und diese Umformung kann durchaus auch zum Besseren führen. Damit verweist diese Kunst auf eine Einsicht, die zur ältesten Überlieferung des Christentums gehört. Paulus formuliert sie in seinem Brief an die Gemeinde in Rom um die Mitte des 1. Jahrhunderts: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne und Töchter Gottes. … Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ (Rom 8,18-21)

Auch in einer Zeit, die auf nie dagewesene Weise bedroht scheint, in der sich der Horizont immer mehr verdüstert, vermag die Kunst Wege ins Offene zu erschließen. Das scheint mir ihre vornehmste Aufgabe zu sein. Sie wird durch die Kunst von Katrin Hornek wunderbar erfüllt, intelligent, mit Witz und tiefgründig. Eine Reise ins Blaue.

Gustav Schörghofer SJ

Fotocredit: Katrin Hornek

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