SUVAT

29. September – 13. November 2021

Leise Stimmen

Arbeiten von Suvat bin ich zuerst bei meiner lieben Freundin Gretl Majerotto begegnet. Gretl war selber Künstlerin und unterstützte andere Künstler immer wieder durch Ankäufe. Von Suvat hatte sie zwei monochrome Blätter erworben, eines war blau, das andere rot. Später lernte ich Suvat persönlich kennen und habe immer wieder seine Arbeiten gesehen. Nach den monochromen Blättern kam eine Serie von schwarz-weiß-grauen Arbeiten. Damals verwendete Suvat verkleinerte Kopien aus einem reichen Bilderschatz, den er aus Zeitschriften und Büchern zusammengetragen hatte. Teile der kopierten Bilder wurden mit schwarzer Farbe abgedeckt, andere Bildausschnitte hinzugefügt, immer mehr wurde überdeckt, weggenommen, die alten Zusammenhänge der Bilder verschwanden, neue, rätselhafte Beziehungen zwischen den Fragmenten erschienen andeutungsweise, eine Geschichte, die Ahnung einer Geschichte. Als ich Suvat vor einigen Monaten wieder in seinem Atelier besuchte, zeigte er mir eine umfangreiche Serie neuer Arbeiten, alle farbig. Auch hier werden Geschichten erzählt, aber diese Geschichten lassen sich nicht nacherzählen, es sind nicht Illustrationen von bereits vorhandenen Erzählungen, sondern Geburten einer zarten Phantasie, kleinen Gedichten vergleichbar.

Suvat arbeitet immer auf Papier im Format A4. Die Papiere werden zuerst mit heißem Bienenwachs imprägniert. Dann kommt Farbe darüber und dann entstehen über dem monochromen Farbgrund neue Welten. Sie nähren sich aus einem reichen Schatz an gefundenem Material, Bilder, Bildfragmente, Teile eigener Arbeiten werden eingefügt, es wird übermalt und mit Papiermaché werden feine Konturen gezogen. All das ist eine Collage und doch nicht, ist Malerei und doch nicht, ist Zeichnung und doch nicht, ist Relief und doch nicht. Diese kleinen Kunstwerke sind Mischwesen von ganz bezaubernder Eigenart, Miniaturen, wie sie in der Kunst Asiens als auch in der europäischen Kunst zu finden sind. Das kleine Format entspricht der Stimmung dieser Bilder, die etwas Intimes, Zartes, Feines hat. Mir kommt auch die Phantasiewelt von Kindern in den Sinn, wenn ich sie betrachte. Sie alle sind ein Weckruf an die Phantasie der Betrachterin, des Betrachters.

Suvat arbeitet ohne vorbereitende Skizzen. Seine Bilder entstehen im Prozess des Arbeitens, werden weggelegt, nach längerer Zeit wieder überarbeitet, sie wachsen wie Pflanzen. Zu sehen sind Menschen, Tiere, Pflanzen, Gegenstände, eine Welt kleiner Dinge. Aus der Bilderflut der Gegenwart führen die Bilder von Suvat in eine Welt der Stille. Immer ist diese Stille in ihnen gegenwärtig. Alles Laute der Welt ist verklungen, die Dinge scheinen von aller Schwere befreit zu sein, als hätten sie eine ursprüngliche Unschuld wieder gefunden. Manchmal geht es auch etwas unheimlich zu, aber auch dann fehlt alles Bedrohliche. In diesen Bildern wird eine Gewissheit vermittelt, dass nichts uns schaden kann. Da ist auch ein wunderbarer Humor, wie ein zartes Wehen in all diesem nicht so recht Fassbaren, das nicht als Sprache existiert, selbst wenn immer wieder Worte und Schriftzeichen eingebaut sind. Alles bleibt im Urzustand reiner Bildlichkeit.

Die Kunst von Suvat ist in langen Jahrzehnten stillen Schaffens entstanden. Sie hat in ihrer Stille nichts Manipulatives, nichts Spektakuläres, nichts zur Schau getragenes Virtuoses. Sie eröffnet denen, die sie betrachten, einen Raum der Freiheit, der das Erschaffen neuer Welten ermöglicht. Sie macht Mut zum Entdecken der eigenen Phantasie, die möglicherweise unter dicken Krusten zweckmäßigen Denkens längst vergessen ist. Diese Kunst behütet eine Poesie der Distanz, denn sie zeigt, wie wenig vertraut, wie fern und scheinbar unerreichbar doch das scheinbar nahe Sichtbare sein kann. Und sie behütet eine Poesie des ganz Nahen, des zärtlichen Umgangs mit den Dingen dieser Welt, da sie auch das Fremde so erscheinen lässt, dass ich mich als Betrachterin oder Betrachter ihm anvertrauen kann. Oder anders gesagt: Diese Kunst lässt uns in einer Welt zuhause sein, die fern und nah zugleich ist, fremd und vertraut, rätselhaft und seit langem bekannt, farbig und schön.

Gustav Schörghofer SJ

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