CHRISTOPH MAYER
FOAM SWALLOWS UNCTION II

2. Oktober – 25. November 2014

Stalagmitenartiges und Abgelagertes
Ein paar Bemerkungen zur Kunst von Christoph Mayer

Diese Malereien und Skulpturen wirken auf den ersten Blick fremd. Sie machen es einem Betrachter, einer Betrachterin nicht leicht. Warum also sollten sie eine Beziehung zu diesen Werken suchen? Und wenn sie eine Beziehung zu den Kunstwerken von Christoph Mayer finden sollten, bewirkt das etwas im Betrachter, in der Betrachterin? Oder bleibt alles beim Alten?

Warum lohnt es sich, auf diese Kunst einzugehen? Sie führt in ein Reich des Unfertigen. Denn das fällt gleich auf, dass alle diese Malereien und Skulpturen recht unfertig aussehen. Die Kunst von Christoph Mayer hat wesentlich damit zu tun, im richtigen Moment aufhören zu können. Eine Sache fertig zu machen kann bedeuten, sie zugrunde zu richten, sie kaputt zu machen. Was heißt fertig oder unfertig? Ist es in der Kunst überhaupt erstrebenswert, etwas fertig zu machen? Wenn ein Kunstwerk den Betrachter, die Betrachterin in Freiheit lassen soll, dann darf es nicht fertig sein. Es muss vieles offen lassen, aber gerade so, dass im Wahrnehmbaren eine Fährte erkennbar wird, die weiter verfolgt werden kann. Die Arbeiten von Christoph Mayer führen auf Fährten. Sie lassen etwas offen. Die Betrachtenden können in dieses Offene hineingehen. Diese Arbeiten machen auch neugierig auf etwas, das es zu entdecken gibt. Sie verschleiern in ihrer Unfertigkeit. Sie machen bekannt mit der Fremdheit der Dinge. Das, was es hier zu sehen gibt, erinnert immer wieder an Bekanntes und ist doch nie so, dass ich schnell damit fertig wäre. Es ist unglaublich fremd. Fremd nicht im Sinn einer Bedrohung, sondern im Sinn eines Bereiches, eines Raumes, den zu entdecken, in den hineinzuwagen, sich vorzuwagen es einen lockt.

Wie lässt sich die Eigenart der Malereien und Skulpturen von Christoph Mayer beschreiben? Da gibt es ein Aufeinander- und Übereinanderschichten. In der Malerei sind viele Schichten zu entdecken, eine über der anderen, wie Hüllen, Decken, Schleier, unten Liegendes bleibt teilweise sichtbar, anderes legt sich darüber, immer mehr, bis es plötzlich vorbei ist mit diesem Spiel. In der Skulptur ist es ein Stapeln, das in unterschiedlichen Spielarten vorgeführt wird: Köpfe übereinander, Styroporplatten aufeinander, Sockel und Skulptur als Gestapeltes. Auffallend in allen Arbeiten ist die Bedeutung des Transformierens. Hier wird eingeschmolzen, zum Schmelzen gebracht, Figuratives umgeformt, die Farbmaterie wandelt sich vom Flüssigen ins Starre. Die Kunst von Christoph Mayer lässt Gestalten auf sehr unterschiedliche Weise entstehen. Da gibt es die Gestalt des Flüssigen, Beweglichen, Geschmolzenen. Da gibt es die Gestalt des Festen, Erstarrten. Die Gestalt fertiger Dinge, von Zinngeschirr etwa oder von Zinngegenständen aller Art, wird durch Einschmelzen gewandelt. Aber es entsteht nichts Fertiges mehr, sondern im Entstandenen ist beides enthalten, was den Prozess der Verwandlung bestimmte, die Gestalt des Flüssigen und die des Festen. Und dann gibt es noch die Gestalt des durch Schichten und Stapeln Gewachsenen. Alles das erinnert selbstverständlich auch an Vorgänge in der Natur, der die Dinge von Christoph Mayer auf merkwürdige Art verwandt sind, gewissermaßen Dinge parallel zur Natur. Stalagmitenartiges und Abgelagertes.

Auch kunsthistorisch betrachtet lassen sich vielfältige Ablagerungen entdecken. Da ist Figuratives zu finden, Abstraktes, Tachistisches, Konzeptuelles – alles wie geologische Schichten übereinander und miteinander. Auch das in der Skulptur immer wiederkehrende Thema des Sockels wird in der Form von Ablagerungen behandelt. Wie Krusten liegen die Rückgriffe auf die verschiedenen in der Kunstgeschichte des vergangenen Jahrhunderts entwickelten formalen Möglichkeiten übereinander. Hier wird nicht einfach etwas nachgeahmt, sondern mit Vorhandenem gespielt und spielerisch Neues geschaffen.

Vielleicht könnte die Kunst von Christoph Mayer auch als eine Art Krustenbildung beschrieben werden. So wie Krusten Wunden schützen, dass Heilung möglich ist. Sie dürfen nicht weggekratzt werden. Vielleicht wird auch hier etwas geschützt. Vielleicht wird auch hier Heilung ermöglicht. Der Humor dieser Kunst darf dabei auf keinen Fall übersehen werden.

Gustav Schörghofer SJ

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner