LUISA KASALICKY

5. Dezember 2013 – 26. Jänner 2014

Rede zur Otto Mauer Preis Verleihung 2013

Zum ersten Mal bin ich der Kunst von Luisa Kasalicky 2006 begegnet. Das war in Salzburg, in der Festspielausstellung der Galerie Altnöder. „Es lebe die Liebe. Hommage Mozart …“ war das Motto dieser Ausstellung. Und da gab es eine Installation von Luisa Kasalicky, die mich beeindruckt hat. Das ist Ferdinand Altnöder aufgefallen. Er hat mir Monate später eine Broschüre mit aktuellen Informationen zur Künstlerin geschickt. Sie dokumentiert die Ausstellung von Luisa Kasalicky im swingr-raumaufzeit. Dieses wunderbare Kunstraumprojekt hat Luisa Kasalicky 2006 gemeinsam mit Christoph Holzeis, Birgit Knoechl, Nicole Miltner und Rainer Spangl gegründet. Dort habe ich 2008 eine Ausstellung von Kasalicky gesehen, dann da und dort andere, in den letzten Jahren in der Galerie nächst St. Stephan, der BAWAG contemporary, aktuell im Lentos.

Luisa Kasalicky hat an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Gunther Damisch studiert. Sie ist ursprünglich Malerin. Sie ist es auch geblieben, hat aber den Raum ihrer Kunst immer weiter ausgedehnt. Nicht nur, dass ihre Malereien Räume eröffnen, die mitunter an Bühnen erinnern. Oder dass in ihren Zeichnungen scheinbar völlig Widersprüchliches und weit Hergeholtes zu luftigen Phantasiewelten zusammenfindet. Sondern auch in dem unmittelbaren und direkten Sinn, dass die Malerei in den Raum hinauswächst, dass sie Züge des Reliefs annimmt, ja mehr noch, ins Gebaute von Installationen übergeht. Die Kunst von Luisa Kasalicky hat stark konstruktive Züge. Ein klares Bewusstsein für das Gerüsthafte, das Gebaute, das Konstruierte als Knochenbau eines in Farben und Formen schwelgenden Gestaltens ist ihr eigen. Für Installationen an der Wand und im Raum verwendet Kasalicky vor allem industriell vorgefertigte Baumaterialien. Kaum zu glauben, wie bunt so etwas sein kann. Allerdings können sich die Farben auch fast ganz aus den Arbeiten zurückziehen, dass nur mehr Schwarz und Grau und gelbliches Weiß bleiben, wie es zwei große Wandarbeiten gerade im Lentos vorführen.

Luisa Kasalicky ist also eine Malerin, die das malerische Gestalten nicht nur auf Leinwand oder Papier betreibt, sondern ausweitet ins Räumliche. Sie erweitert die Bildfläche nicht durch die Illusion von Räumen, sondern durch Herstellen von Räumen. Als hätte sie Flächen zerstückelt und zerschnitten und so zueinander gestellt, dass sie die Grenzen eines gerahmten Bildes sprengen und schließlich reale Räume bilden. Sie geht aus von visuellen bildlichen oder räumlichen Eindrücken, von Filmsequenzen, von einem Bild des 15. Jahrhunderts, von Landschaftlichem oder Gebautem. Gegebene Zusammenhänge werden aufgelöst, Zusammengehörendes zerlegt, Fragmente neu zusammengestellt. Der Weg geht vom Dekonstruieren von Vorgefundenem zum Konstruieren von Neuem. Luisa Kasalicky hat so auf sehr vielfältige Weise einen Raum geschaffen, den eine immer wirksame Kraft der Transformation durchwirkt. Transformation des Malerischen ins Skulpturale, der Raumillusion in den realen Raum, des Raumkontinuums ins Diskontinuierliche, des Erzählflusses in stammelndes Andenken, des Vertrauten in Befremdendes, der traditionellen Verfahrensweise in ein spielerisches Experimentieren. Ein feiner Witz, ein Hauch von Humor durchweht diese eigenartigen Welten.

Noch einige Hinweise auf weitere Zusammenhänge, in denen diese Kunst zu sehen ist. Die Ausweitung der Malerei ins Skulpturale und Architektonische hat in der europäischen Kunstgeschichte eine lange Tradition. Ich zitiere aus einem Brief von Michelangelo: „Ich sage, daß mir die Malerei in dem Maße besser zu sein scheint, als sie sich mehr auf das Relief hin bewegt, und das Relief in dem Maße schlechter, als es sich mehr auf die Malerei hin bewegt: daher war ich schon immer der Ansicht, daß die Bildhauerei das Licht der Malerei sei …“ – das schreibt Michelangelo Buonarotti um den Mai 1547 an Benedetto Varchi in Florenz. Michelangelo wäre sicher einverstanden gewesen, wenn mit der Bildhauerei auch die Architektur als Licht der Malerei bezeichnet wird.

In einem zweiten Hinweis komme ich auf die Bedeutung des Einfachen, der Abfälle, des Mißachteten für die Kunst des 20. Jahrhunderts zurück. Mit ihrer Bevorzugung einfacher Materialien steht Kasalicky in einer großen Tradition des 20. Jahrhunderts, die auf Kurt Schwitters zurückgeht. Er hat als erster konsequent Abfall als Material seiner Kunst verwertet. Viele sind ihm darin gefolgt. Was andere verworfen haben, wurde von ihnen neu entdeckt. Es ließe sich von einer Option für das Arme sprechen, die eine nicht geringe Anzahl der bedeutendsten Künstlerinnen und Künstler des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart getroffen haben. Theologisch betrachtet handeln sie wie Jesus Christus, wie Gott. Die Evangelien zeigen diese Option nicht nur in der bevorzugten Zuwendung Jesu zu Armen und Gestalten am Rand der Gesellschaft, sondern auch in der Gestaltung der Reich-Gottes-Gleichnisse.  Ja, um es drastisch zu sagen, Gott selbst wurde in Jesus Christus zu Abfall. Er wurde unter die Verbrecher gereiht. Es lohnt sich, unter diesem Gesichtspunkt Phänomene der modernen und der zeitgenössischen Kunst zu betrachten.

Ein dritter Hinweis: Für die Burgkapelle im Museum Moderner Kunst Kärnten hat Luisa Kasalicky eine Rauminstallation geschaffen, die dort von Juni bis Oktober 2013 zu sehen war. Für die aktuelle Ausstellung im Lentos wurde diese Arbeit adaptiert und neu aufgebaut. Gegenstände und Installationen sind in einem großen Raum verteilt. Der Raum ist dunkel. Nichts ist zu sehen. Für Augenblicke reißen stark gebündelte Lichtstrahlen, auf Objekte fixiert oder über sie hinweggleitend, Details heraus. Doch das Ganze ist nicht zu erkennen. Der Raum und die meisten Dinge bleiben im Dunkel. Nur Einzelnes ist für kurze Zeit sichtbar. Diese Arbeit ist eine konsequente Fortsetzung der Erweiterung des malerischen Raums, die Luisa Kasalicky seit langem betreibt. Erweitert ist das Bisherige durch den Einsatz von Dunkel und Licht. Der Raum ist dunkel, eine kompakte Einheit, homogen und fremd. Das Licht schafft einen neuen Raum. Er kommt durch die Wahrnehmung zahlreicher Bruchstücke, Details, Fragmente zustande. Er entsteht in der Wahrnehmung des Betrachters, der Betrachterin als eine Art Offenbarung. Im Grunde ist es genau das, was beim langen Ausharren vor einem Kunstwerk auch sonst erfahren werden kann. Im Lauf der Zeit, im Zug langen und geduldigen Ausharrens und Wartens, gibt sich das Kunstwerk zu erkennen. Analog lässt sich dieselbe Erfahrung im Umgang mit der Welt, mit Menschen, mit Gott machen. Ich muss immer warten können. Dann kommt mir etwas entgegen.   

Gustav Schörghofer SJ

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