Die Bilder von Anna Meyer haben etwas Plakatives. Sie sind auf den ersten Blick gar nicht still. Mit einem starken Appell wenden sie sich an die Betrachter. Immer wieder sind sie auch im öffentlichen Raum zu sehen. Anna Meyer malt und baut skulpturenartige Gebilde. Tische oder Sockel bilden ein Gerüst, an dem eine Menge von Bildern und Gegenständen angebracht wird. Da ist auch viel Müll zu sehen – oder vieles, das wie Müll aussieht. Gemeinsam mit den Malereien auf Leinwand bilden diese Objekte sorgfältig gestaltete Installationen. Bilder und Gegenstände sind aufeinander bezogen, verweisen aufeinander, interpretieren einander. Alles das hat eine große Nähe zur Welt des unbeschwerten Konsums. Alles ist bunt. Alles scheint in Ordnung.
Anna Meyer nennt ihre Kunst eine Nachkrisenmalerei. Das weist darauf hin, dass nichts in Ordnung ist, dass Fragen gestellt werden müssen. Woher kommen wir? Wo stehen wir? Wie gehen wir weiter? Und wohin? Antworten gibt diese Kunst aber keine. Sie schafft vielmehr ein Vakuum, eine Leere, eine Stille. Antworten will diese Kunst keine geben. So grell und bunt und vollgeräumt alles ist, es ist eigenartig still in diesen Bilder, eine sonderbare Leere macht sich breit. Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil der Kunst von Anna Meyer. Aber gerade die Worte und Sätze schaffen ein beklemmendes Schweigen.
Eine Serie der Bilder geht auf Eindrücke zurück, die Anna Meyer während eines kurzen Aufenthalts in Belgrad gesammelt hat. Ihre Bilder und Objekte sind aus Alltagserfahrungen entstanden, sie streifen aber den Bezug auf bestimmte Situationen oder Orte ab. Diese Kunst verwandelt Alltägliches. Sie führt einen Zustand der Destabilisierung vor. Das zufällig wirkende Zusammentreffen aller dieser Gegenstände, Bilder, Malereien, Fotografien zeigt sich bei genauem Hinsehen als präzis gestaltetes Netz von Bezügen. Sicherheitsnadeln und Ketten gehören zum Erscheinungsbild von bestimmten Gruppen. Anna Meyer selber taucht immer wieder auf. Die muntere Konsumwelt wird von bedrohlichen Untertönen in Frage gestellt.
Anna Meyer schafft keine neutralen ästhetischen Objekte. Ihre Kunst ist kritisch. Malerei wird hier als politische Stellungnahme verstanden. Das hat es im vergangenen Jahrhundert immer wieder gegeben. Doch hier ist es anders. Die Kunst von Anna Meyer steht nicht im Dienst einer Ideologie. Sie erteilt keine Lehre. Sie entwickelt keine richtungweisenden utopischen Visionen. Sie nimmt keinen Ausschnitt der Welt, um ihn als schönes Ideal zu präsentieren. Sie bevormundet nicht den Betrachter mit der Zumutung, ihn für eine vorgegebene Wahrheit gewinnen zu wollen. Zu jeder vorgegebenen Wahrheit, sei es eine politische oder eine wirtschaftliche oder eine kulturelle Ideologie, hält die Kunst von Anna Meyer eine kritische Distanz. Und doch wird mit ihr ein Standpunkt eingenommen, im Politische, Wirtschaftlichen, Kulturellen. Die Kunst hat ihre eigenen Möglichkeiten. Jene von Anna Meyer bewegt Betrachter und Betrachterin zu einem Eintauchen in die banale Welt des Alltäglichen. Keine Aufregungen, keine Sensationen, nur die gewohnten Dinge und belanglos wirkende Szenen. Aber wer in diese Welt eintaucht, wird zugleich eine Schärfung des Blicks erfahren. Denn im Banalen verbirgt sich das Abgründige, im Belanglosen das Ungeheuerliche und in der bunten Munterkeit der Farben Stille und Leere. Die Kunst von Anna Meyer verfeinert das Wahrnehmungsvermögen. Sie bewirkt eine Schärfung des Blicks. Sie lässt hellsichtig werden.
Gustav Schörghofer SJ