FLORIAN SCHAUMBERGER
AHEAD

26. Mai – 30. September 2021

Drei große Stahlskulpturen von Florian Schaumberger werden bis Ende September 2021 in der Konzilsgedächtniskirche aufgestellt sein: 3 Klang – 3 Männer mit Hut (Eisen geschwärzt, 2018, H 210 cm), AHEAD I und AHEAD II (Stahl, 2020, H 230). Auf drei Weisen werde ich versuchen, einen Zugang zu diesen Skulpturen zu erschließen. Einmal durch den Bezug zur Tradition eines großen Motivs europäischer Bildhauerkunst; dann durch den Bezug zur Tradition österreichischer Bildhauerkunst im 20. Jahrhundert; und zuletzt durch einen Hinweis darauf, was diese Skulpturen in der aktuellen Situation bedeuten könnten.

Das Motiv des aufrecht stehenden Menschen steht bereits am Anfang europäischen Gestaltens. Am Beginn des 1. Jahrtausends vor Christus sind Figuren und Vasen entstanden, die etwas völlig Neues darstellen. Es sind Gestalten, auch die Vasen, die aufrecht und ausgerichtet stehen, frei haben sie Halt in sich selber. Sie verkörpern eine geistige Haltung, die kennzeichnend war für die Gestalten abendländisch europäischer Kunst. Auch nach dem Ende der griechischen Kunst wird das Motiv des aufrechten Stehens in der mittelalterlichen Architektur und Skulptur gestaltet, als Stehen in übergreifenden Zusammenhängen. Diese große Tradition kommt im vergangenen Jahrhundert an ein Ende, doch die von den Figuren verkörperte Haltung lebt auch in den Gestalten von Florian Schaumberger nach.

Der 1962 geborene Bildhauer Florian Schaumberger steht als Schüler von Joannis Avramidis in der Tradition großer österreichischer Bildhauerkunst von Anton Hanak über Fritz Wotruba bis zum Griechen Joannis Avramidis. Alle drei waren im figurativen Gestalten verwurzelt, doch gingen sie mit ihren Gestaltungen einen Weg, der sie weit über das Figurative hinausführte und in das Formen von Architektur mündete. Auf diese Weise verließen sie die bis dahin ununterbrochen fortgeführte Tradition europäischer Bildhauerkunst. Angedeutet findet sich der Bezug zur Architektur bei Anton Hanak nicht in den Bauskulpturen, die es bei ihm auch gibt, sondern in Skulpturen wie Riese oder Baumeister, die das Blockhafte, Gebaute in sich aufnehmen. Bei Wotruba und Avramidis nimmt diese Wendung deutlichere Züge an, indem die Skulptur selber imstande ist, Architektur zu formen. Dabei verlässt sie merkwürdigerweise die enge Beziehung der früheren Skulpturen zur Architektur und wird von allen Bindungen an Tektonisches befreit, fast schwebend und leicht, den Gesetzen der Schwerkraft scheinbar entzogen. Wotruba lässt Blöcke der Kirche auf dem Georgenberg frei hängen, Avramidis stellt Figuren auf den Kopf.

Florian Schaumberger gestaltet in einer Zeit, der eine Bindung an alte Traditionen verloren gegangen ist und die neu ihren Standort finden muss. Notwendige Voraussetzungen dafür sind das Aushalten einer Stille nach dem Ende des Alten und das Innewerden der Gegenwart und seiner Möglichkeit des Neuen. Die Figuren von Florian Schaumberger haben in den letzten Jahren an Einfachheit und Elementarität gewonnen, was sie an Vitalität und Komplexität scheinbar verloren haben. Es sind äußerst reduzierte Gestalten entstanden, deren Proportionen und Rhythmus sehr sorgfältig gestaltet wurden. Ein Betrachter, eine Betrachterin mag meinen, vor fast nichts zu stehen, um dann doch möglicherweise zu entdecken, dass in diesen Gebilden, die ein Form gewordenes Innewerden zeigen, gerade jene Haltung äußerster Konzentration und freien Stehens gestaltet ist, derer wir heute dringend bedürfen.

Gustav Schörghofer SJ

Fratres, 1997, Stahl, 3 Figuren, Höhe ca. 220 cm

Florian Schaumberger hat die meisten seiner Skulpturen aus Formrohren gebaut. Die aus einem einheitlich geformten Grundmaterial zusammengefügten und aufgerichteten Gebilde haben eine Nähe zur Architektur. Schwünge und Gegenschwünge setzen die Skulpturen in Spannung zum Statischen des Gebauten. Die Figuren dringen vor, schwingen sich auf. Das Erbe des Figürlichen, der Bezug zur Gestalt des Menschen, wird stets bewahrt.

Die Fratres stellen ein dramatisches Geschehen zwischen Oben und Unten dar. In diesem Geschehen nehmen sie entschieden ihre Position ein. Jede der Figuren hat ihre Eigenständigkeit und jede trägt auf ihre Weise ein großes Thema europäischer Bildhauerei vor: die aufrechte Haltung, den kühnen Aufschwung, die klare Ausrichtung. Und noch mehr: diese drei Skulpturen bilden eine Gemeinschaft. Was eine jede tut, wird von den anderen mitgetragen. Durch gemeinsame Ausrichtung stellen sie eine Einheit dar. Es ist, als würden sich alle drei nach der gleichen Musik bewegen – eine jede auf eine nur ihr eigentümliche Weise. Mit Demut und Einfachheit begleiten diese Figuren die Menschen, Anspruch und Hilfe zugleich.

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