GÖTZ BURY
FASTENTUCH

24. Februar – 7. April 2023

Götz Bury, Fastentuch in der Jesuitenkirche Wien 1, 2023, Baumwolle, 600 x 300 cm

Das Fastentuch ist aus saugfähigem Baumwollstoff genäht und mit Stofffarbe bemalt worden. Sein Muster ist von Geschirrtüchern bestens bekannt. Mit Tüchern dieser Art habe ich meiner Mutter beim Abtrocknen des Bestecks geholfen. Nicht ganz freiwillig, doch alle Hinweise darauf, dass ja das Besteck auch von selber trockne, haben nicht geholfen. Der Schönheit des reinen Glanzes wegen mussten Messer, Löffel und Gabeln einzeln abgerieben werden. Verwendet wurden diese Tücher auch, um den Hefeteig abzudecken und vor kühlem Hauch zu schützen. So erinnert das diesjährige Fastentuch der Jesuitenkirche an viele Tätigkeiten im Alltag, an Sorgfalt und Behutsamkeit im Umgang mit Dingen, an Berühren und Behüten.

Am Karsamstag wird das Tuch abgehängt und am Dienstag der Osterwoche in der Kirche zerschnitten und zu normal großen Geschirrtüchern verarbeitet. Einige Nähmaschinen werden im Mittelgang aufgestellt werden und wer immer helfen will, ist dazu eingeladen. Jedes der Tücher wird auch mit einem Aufhänger und einem Etikett versehen werden. „Fastentuch in der Jesuitenkirche in Wien im Jahr 2023, zu Geschirrtüchern umgearbeitet und an die Anwesenden verteilt“ wird da zu lesen sein. So wird das große Fastentuch in Küchen oder anderswo „weiterleben“.  „Dadurch schaffen die Küchenhandtücher eine langfristige Erinnerung an das, was sich in der Jesuitenkirche ereignet hat. Die Mithilfe der Anwesenden wird durch einfache Getränke und Speisen versüßt. Die Tücher müssen am Ende weder schön gerade geschnitten noch alle gleich groß sein.“ (Götz Bury)

Fastentücher oder Hungertücher werden seit Jahrhunderten während der Fastenzeit im Altarraum oder vor dem Altarbild aufgehängt, um allzu prächtigen Glanz oder triumphale Szenen, etwa einer Aufnahme in den Himmel, zu verhüllen. Warum wird verhüllt? Der Entzug der Bilder, in denen eine zukünftige Herrlichkeit vergegenwärtigt wird, kann helfen, dass Gläubige sich auf das besinnen, was ihren Alltag mit all seinen Mühen ausmacht. Und es kann dazu helfen, in diesem Alltag die Gegenwart eines in vielen kleinen Zeichen des Entgegenkommens präsenten Gottes wahrzunehmen. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Doch der Weg zur Auferstehung bedeutet für alle Gläubigen, gemeinsam mit Jesus Mensch zu werden, sich auf die Nöte und Mühen dieses Lebens auf Erden einzulassen. Selbstverständlich gibt es auch viele Freuden, doch wer das Leben mit anderen Menschen und allen Lebewesen und Dingen dieser Welt teilen will, der wird immer wieder auch an der Not anderer Anteil nehmen. Es geht also darum, mitfühlend zu sein und das Mitgefühl und Entgegenkommen Gottes im eigenen Leben Gestalt annehmen zu lassen.

Mich wird das diesjährige Fastentuch der Jesuitenkirche an viele kleine, mehr oder weniger willkommene Dienste erinnern, die ich als Kind verrichtet habe. Es wird mich daran erinnern, wie viele Menschen mir im Alltag behilflich sind. Und es wird mich daran erinnern, dass ich selber zu einem Dienst für andere berufen bin. Das Fastentuch wird zerstört und zu etwas Neuem verarbeitet. Vielleicht dient das Geschirrtuch auch heute dazu, dem Besteck frischen Glanz zu verleihen oder einen Teig zu hüten. Auch darin kann ein Hauch neuen Lebens erfahren werden.

Gustav Schörghofer SJ

Das Fastentuch des Jahres 2023 in der Jesuitenkirche.

keinerlei Erklärungen bedürftig, verblüfft es trotzdem dank der Sparsamkeit, mit welcher es dem Thema gerecht wird, als hätte sich sein Hervorbringer – siehe die Phrase ‚sich etwas vom Mund absparen‘ – zu Ehren der Fastenzeit unangebrachter Einfälle enthalten.

anders als die bei uns Hangerl genannten Geschirrtücher, die, meist gebraucht, als räumliche Figuren von einem Haken hängen, hängt es, wie in einen Bilderrahmen gezwungen, schön gespannt oberm Hauptaltar, von den Maßen eines Teppichs.

wie die meisten Hangerl ist es blau-weiß kariert, im Unterschied zu meist rot-weiß karierten Wirtshaustischtüchern. möchte es uns suggerieren, es sei erst wieder in vierzig Tagen Eßgeschirr abzutrocknen, so lange habe ein jedes Geschirrtuch während unseres Fastens unberührt im Geschirrkasten zu rasten wie die Tischtücher in ihren Laden? es ist jedenfalls wie der allerschlichteste Adventkalender anzusehen – könnte ja sein, hab sie nicht abgezählt, daß seine kleinen Felder vierzig Tage symbolisieren. aber daß es uns eines auferlegen möchte, nämlich vierzig Tage lang am Hungertuch zu nagen, das heißt, pro Tag nicht mehr an Nahrung zu uns zu nehmen, als im Tagesquadratel Platz hat, etwa drei Drittel einer Scheibe Brot, weil gestapelt?

ob die Quadratel nummeriert sind, das ist auf die Entfernung nicht auszunehmen gewesen, bin in der Mitte des Mittelschiffs gestanden. eine Datierung der Fastenfelder, zwar auf den Tag und Monat beschränkt, würde das Fastentuch nicht so bald wieder verwendbar machen – im Unterschied zu Weihnachten Ostern ja ein bewegliches Fest: früheste Ostern, wenn Frühlingsbeginn (21. März) und ein Sonntag zusammenfallen. späteste Ostern, wenn Vollmond am 20. März (und der ein Samstag ist) – Ostersonntag ist dann erst am 24. April.

Julian Schutting
(23. Februar)

Foto: Götz Bury

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner