Zu den Arbeiten von Louise Höfinger-Winter
Das Werk von Louise Höfinger-Winter ist im Lauf mehrerer Jahrzehnte entstanden. Die künstlerische Tätigkeit ist durch familiäre Verpflichtungen und die Ausübung eines Berufes über weite Strecken unterbrochen worden. Doch zeigen die Arbeiten, auch wenn sie zeitlich weit voneinander getrennt sind, eine Zusammengehörigkeit. Es ist in ihnen eine ungewöhnliche und erstaunliche Formkraft zu finden.
Louise Höfinger-Winter hat zu einer Zeit an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, in der die heute dort Unterrichtenden noch nicht einmal geboren waren. Sie studierte in der Meisterklasse für Medaillen und Kleinplastik. Die frühen Arbeiten aus den 60rer Jahren sind Medaillen. Sehr fruchtbar waren die 70er Jahre. Bis heute arbeitet Louise Höfinger-Winter an immer neuen Skulpturen. Die Arbeiten sind kleinen Formats, könnten aber ohne weiteres ins Große übertragen werden.
Sehr deutlich zeigen die frühen Arbeiten die Herkunft der Form vom Figurativen. Bald aber schon zeigt sich eine Entfernung von im künstlerischen Umfeld der damaligen Zeit vorgegebenen Gestaltungsweisen. Louise Höfinger-Winter findet sehr rasch zu einer unverkennbaren Form. Es entstehen Reliefs, die den Charakter von Faltungen haben. Die Masse des Grundes selber gerät in Bewegung wie das Erdreich bei einem Erdbeben. Es entstehen Verwerfungen, parallele Falten, Risse, Furchen, Auswölbungen. In kleinem Format ereignet sich Elementares. Formen werden aneinandergeschoben, überkreuzen sich, eine Verdichtung zu einer Mitte ist immer wieder zu finden, ein Zusammenballen und Verknoten. Kubische Formen sind immer wieder zu entdecken, doch sind es nicht dem Grund aufgesetzte eigene Gebilde, sondern aus dem Grund ausgefaltete Formen. Die Herkunft dieser Formensprache zeigen sehr deutlich zwei Reliefs aus goldfarbener Folie. Es sind Emanationen einer vorgegebenen Masse, die sich nicht an geometrischen Grundformen orientieren, sondern eigenen Gesetzen gehorchen. Der Vorgang des Konzentrierens wird auf immer neue Weise vorgeführt. Alle Skulpturen sind im wahrsten Sinn des Wortes Konzentrate, Verdichtungen zu einer Mitte hin.
In ihren Kleinskulpturen entwickelt Louise Höfinger-Winter eine andere Formensprache als in den Medaillen. Hier werden balkenförmige Gebilde nebeneinandergelegt oder zueinander gestellt. Sie können lang gestreckt oder auch gewunden sein. Auch hier geht es um Verdichtung zu einer Mitte hin, um zugleich lockere und kompakte Gebilde. Die Nähe zu tänzerischen Bewegungen ist deutlich zu merken. Eine weitere Entwicklung der Formensprache lässt sich in den Zusammenstellungen bogenförmiger und schalenförmiger Gebilde erkennen. Hier erinnern die Formen an Architekturen, an ineinander geschobene Schalen, an überwölbte Räume. Parallel gesetzte Platten mit bogenförmigen Konturen erinnern an die bereits früher entwickelten parallel gesetzten Formen, an diese dicht aneinander gedrängten Falten früherer Schöpfungen.
In einer von dominanten Männern beherrschten Bildhauerlandschaft hat Louise Höfinger-Winter sich auf einem künstlerischen Territorium behauptet, dessen Bedeutung in ihrer weiteren Umgebung offenbar kaum wahrgenommen werden konnte. Wer sich in dieses kleine Reich begibt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Hier ist etwas entstanden, das Kraft, Größe und Zauber besitzt. Hier ist eine eigene Formensprache zu finden. Selbstverständlich ist es nicht die Sprache all jener, die noch gar nicht geboren waren, als Louise Höfinger-Winter ihr Studium bereits abgeschlossen hatte. Es ist jedoch eine Sprache, die Bestand hat und auch heute noch wert ist, wahrgenommen zu werden. Denn was hier gezeigt und vorgeführt wird, Zusammengehörigkeit von Unterschiedlichem, Konzentration und Offenheit, das hat über die Zeit der Entstehung hinaus Bedeutung.
Gustav Schörghofer SJ
Bildrechte: (1) Heike Schäfer, (2–6) Jesuitenkunst