BERNHARD FRUE
Ohne Titel

28. Juni 2016 – 28. Februar 2017

Die Arbeiten von Bernhard Frue haben etwas sehr Karges, mitunter schon Düsteres. Schwarz und Weiß dominieren. Auffallend ist das außerordentliche Formbewusstsein, der Sinn für formale Strenge und Schlüssigkeit. Das Gebaute und das Konstruierte nehmen in früheren Zeichnungen einen wichtigen Platz ein. Kaum Natur. Und wo sie auftaucht, hat sie auch etwas Konstruiertes. Immer wieder sind konzentrische Kreise zu finden, präzise gezeichnete oder mit der freien Hand gezogene, die eher an Höhenlinien erinnern. Und Parallelen. Parallelen gibt es auffallend viele. Dieses Umkreisen und Nebeneinander der Linien wirkt so, als sollte etwas betont werden. Als wollten die Zeichnungen mit großem Nachdruck auf etwas aufmerksam machen. Worauf?

Ein Eisenrohr hat es in der Kunst von Bernhard Frue auch schon gegeben, als Handlauf im Rahmen einer Ausstellung in der Wiener Sezession. Später findet sich ein gehängtes Eisenrohr als Element einer Ausstellung im Kunstraum Weikendorf. Das Ziehen von Linien und das in der Lainzer Konzilsgedächtniskirche verwendete Material sind Bernhard Frue also vertraut.

Vor über einem halben Jahr habe ich Bernhard Frue gebeten, eine Installation im Raum der Konzilsgedächtniskirche zu gestalten. Eine hängende, im Raum schwebende Konstruktion sollte es werden, das war mein Wunsch. Das Ergebnis eines langen Entwurfsprozesses ist nun zu sehen. Bernhard Frue hat sich entschlossen, in dem von rechten Winkeln bestimmten und streng an einer orthogonalen Ordnung ausgerichteten Raum, dessen Grundelement das Quadrat ist, eine gekrümmte Linie zu ziehen. Sie ist diagonal in den Raum gelegt und so geformt, dass die Bewegung aus der Höhe kommend zum Altar niedergeht und in einem weiten Bogen wieder in die Höhe führt. Beide Enden der Linie sind nach unten geneigt. Die Bewegung der Linie ließe sich auch als Aufsteigen nach zwei Richtungen vom Altar aus sehen. Geformt wurde die Linie aus einem Eisenrohr, sechs Zentimeter im Durchmesser. Es wiegt etwa 60 kg und ist an zwei Punkten von der Kassettendecke abgehängt.

Die dunkle Oberfläche des mit einem Schutzanstrich behandelten Eisens mit ihrem Schimmer und den durch Schweißen bedingten Verfärbungen passt zum Beton der Kirche. Beide Materialien zeigen sich roh, in der ihnen eigenen Farbe und Erscheinung. Zur warmen Tönung von Teppichboden und Birnholz fügt das Grauschwarz des Eisens einen vollen, dunklen Ton hinzu.

Die in den Raum der Konzilsgedächtniskirche gezogene Linie ist als Skulptur zu sehen. Verwandte Gestaltungen, im Raum gezogene Linien aus Draht, skulpturale Zeichnungen, sind in der Arbeit von Michael Kienzer zu finden, oder, ganz anders wieder, in der Arbeit von Antony Gormley.

Was bedeutet diese Linie? Wie ist sie zu lesen? Ganz einfach ein Aufsteigen nach beiden Seiten aus einer Wendung nach unten heraus. Oder eine Wendung aus der Höhe nach unten in weitem Bogen und wiederum ein Aufstieg zur Höhe.

Selbstverständlich gewinnt die Linie im Kontext der Konzilsgedächtniskirche durch ihren Bezug zur Architektur und der Anordnung von Altar und Feierraum eine eigene Bedeutung. Hier geschieht in jeder Messfeier eine Herabkunft, und wird in jeder Feier ein Aufstieg verkündet. Es geschieht eine Ausrichtung der Feiernden nach oben, dargestellt im aufrechten Stehen, im Aufgerichtetwerden des ganzen Menschen. Das Herabkommen der Linie und ihr Aufstieg nach beiden Richtungen machen das anschaulich. Den Glaubenden kann die Linie an ein zentrales Geheimnis des Christentums erinnern: Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch wie Gott werde.

Bernhard Frue, 1968 geboren in Bad Radkersburg, 1989-94 Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, lebt und arbeitet in Wien.

Gustav Schörghofer SJ

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