Getupfte Schönheit
Aus Farben und Formen entstehen Welten
Malerei ist das Gestalten einer Fläche mit Farben und Formen. Lange wurde die Fläche als Ausblick auf eine Wirklichkeit gedeutet, einem Fenster gleich. Was zu sehen war, konnte wiedererkannt werden. Vor hundertfünfzig Jahren wurde die Vorstellung eines Ausblicks auf eine Welt jenseits des Bildes aufgegeben. Die Malerei machte Welten sichtbar, doch diese Welten waren nun auf der Leinwand gegenwärtig. Sie bestanden aus Farben und Formen, später konnten auch Gegenstände eingefügt werden. Das Bild war seine eigene Welt. Ob die Malerei gegenständlich oder abstrakt war, spielte dabei keine Rolle. Sie ließ auf begrenztem Raum aus Farbe und Form eigene kleine Welten entstehen.
Béatrice Dreux ist Malerin. Sie malt abstrakt und gegenständlich. Sie gestaltet Farbe in großen ineinander verfließenden Flächen und in kleinen, scharf begrenzten Einheiten. Die Qualität ihrer Malerei zeigt sich darin, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Verfahrensweisen immer Bildflächen von großer Dichte entstehen, Gestaltungen intensiver Präsenz. Eine Reihe jüngst entstandener Bilder wird aus kleinen, mit dem Pinsel gesetzten Farbtupfen entwickelt. Grundlegende Formen sind Gesichter oder Kreise oder mandelförmige Gebilde. Das Getupfte, Scheckige und Sprenklige, das Fleckige und Zusammengestückelte ist eine Eigenart der Malerei von Béatrice Dreux.
Was ist hier zu sehen? Der Querschnitt eines Baumstamms mit Jahresringen, ein Südseeatoll inmitten einer phantastischen Wasserwelt, eine Vulva oder auch eine Wunde, leuchtend rot inmitten eines kühlen Felds, Zentrum nach außen dringender Lebensenergien, strahlende Mitte und ungeschützte Verletzlichkeit zugleich. Im Auge der Betrachterin kann viel entstehen. Doch hat das Auge in dieser Malerei ein kraftvolles Gegenüber. Die dichte Versammlung um die Mitte, die farbige Vielfalt der mandelförmigen Ringe, das enge Nebeneinander der perlenartig aneinander gefügten gleichfarbigen Flecken, die eingesprenkelten Glitterflächen, alles das lässt ein Gebilde großer Dichte und Vielfalt entstehen. Die Welt dieser Malerei steht der Betrachterin auf das äußerste konzentriert gegenüber, alles um eine glühende Mitte versammelt, alles von einem Strömen nach außen durchpulst.
Gustav Schörghofer SJ