HENG ZHI
WASSERTISCHOBJEKT

März – Mai 2011

Die Arbeit besteht aus dem Tischobjekt, einem Video und einem Heft mit einem Essay von Heng Zhi. Diese Studie trägt den Titel „Stäbchen oder Besteck?“ und beschäftigt sich mit Entstehung und Formwandel der Esswerkzeuge und dem „zivilisierten Esser“. Vier goldfarbene Gedecke sind im Wasser, mit dem das flache Becken des Tisches gefüllt ist, versunken. Das Decken des Tischs, der Untergang der gedeckten Tafel, sowie das Abdecken und Auftauchen der Tafel sind auf dem Video zu sehen. Im Wasser ist die gedeckte Tafel wie in eine andere Sphäre entrückt. Kulturen werden von Mächten getragen, die, solange sie tragen, nicht in Erscheinung treten. Wenn die für selbstverständlich gehaltene Ordnung „untergeht“, zeigt sich das bisher Verborgene. „Das Wasser ist dasselbe, es trägt das Boot und verschlingt es auch.“ (Xun Zi)

Tischsitten waren in den Kulturen von Ost und West lange Zeit mit der Selbstdarstellung sozialer Ordnungen verbunden. Wer sich beim Essen zu benehmen wusste, wer die Regeln kannte und sie befolgte, hatte einen Platz an der Tafel. Das galt für die Benutzung der Stäbchen genauso wie für den Umgang mit Besteck. Bestimmte soziale Gruppen hatten ihre eigenen Tischkulturen. Die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen verlangte eine genaue Befolgung der Regeln. Am Tisch der Bauern in Österreich galten Sitten, die den Tischsitten in China verwandt waren. An der Tafel des Hofes galten andere Regeln, die von den Geladenen streng eingehalten werden mussten. Die Zugehörigkeit zeigte sich in der Selbstverständlichkeit des korrekten Verhaltens. Die gemeinsame Mahlzeit war eine Selbstinszenierung der Gesellschaft. Das gilt nach wie vor in West und Ost. Global hat sich in den letzten Jahren eine Kultur des Essens mit den Händen ausgebildet. Ohne hierarchische Abstufung und mühsame Lernprozesse stellt sich eine Gesellschaft von Gleichen dar, die alle nebeneinander und individualisiert Gleiches essen.

Die Feier der katholischen Messe wird auch als Mahlgemeinschaft verstanden. Der Konsum von Leib und Blut Christi eint die Gemeinschaft. Die Einzelnen sind zum Dienst aneinander und an den anderen außerhalb aufgerufen. Dieser Dienst wurde von Jesus Christus in der Fußwaschung des Letzten Abendmahles vorgelebt und kehrt die Hierarchie um. Der Herr dient. Das Mahl ist Selbstdarstellung einer Gemeinschaft von Dienenden. Als Dienende sind sie gleich. Die Regeln einer globalen Esskultur werden hier konsequent durch das Gebot des Dienstes erweitert.

aus: Gustav Schörghofer SJ, Drei in Blau, 2013

 

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