LOIS ANVIDALFAREI
ADAM

November 2000 - April 2001

Durch unentwegtes Studium des menschlichen Körpers, durch das unablässige Zeichnen vor dem Modell hält Lois Anvidalfarei seinen strengen Sinn für die Form wach. Dieser Sinn für das Gewicht feinster Bewegungen, unmerklicher Schwingungen, für den Rhythmus von Mulde und Wölbung befähigt ihn, Erstaunliches zu wagen. Seine Figuren gehören einem Reich an, wo wuchtige Schwere mit dem Schwebenden tänzerischer Bewegung, derb Vitales mit der Stille zartester Berührung vereint ist.

Die Figur „Adam“ erinnert an Schläuche, an Innereien, auch an Lebewesen, die sich nicht aus eigener Kraft hochhalten können, sondern eines Mediums bedürfen, das sie umfängt, das sie trägt, das sie schwebend hält, Lebewesen im Wasser, die ohne festen Boden unter sich hochwachsen, mühelos aufrecht bleiben. Deckt man die obere Hälfte der Figur ab, meint man, der Schwung des unteren Teils würde sich nach oben fortsetzen, fände seine Vollendung in einer hochragenden Gestalt, einem mächtigen Tänzer, der sich – wie, bleibt unbegreiflich – aufschwingt und tragen lässt vom Rhythmus seiner Formen. Aber was von unten her den Raum erobern möchte, das krümmt sich oben zusammen wie unter einer unsichtbaren Last, das verkriecht sich in sich selbst, versteckt sich in einer aus Armen und Händen geformten Höhle. Der Name der Figur weist hin auf das, was hier geschieht. Einer versteckt sich, weil er Angst hat vor der Begegnung mit einem anderen. Er hat Angst, weil er sich dem anderen nicht mehr rückhaltlos anvertraut. Die Bibel erzählt vom Verlust eines ursprünglichen Vertrauens zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Welt, Mensch und Gott.

Doch keiner hält sich nur aus eigener Kraft aufrecht. Ein jeder wird getragen von etwas anderem, in das er eingetaucht ist wie der Fisch ins Wasser, dem er sich anvertraut, ohne es selbst oft zu merken. Lois Anvidalfarei ist mit dieser Figur etwas Außerordentliches gelungen: eine Gestalt, die von innen her getragen wird, einem Ballon gleich schwebt; und zugleich eine Gestalt, die in sich selbst verkrümmt ist.

Aus „Drei in Blau“, Gustav Schörghofer SJ, 2013

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